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Mit dem Facebook-Verfahren gewährt das Bundeskartellamt einen Blick in die Zukunft.

Das Verfahren des Bundeskartellamtes gegen Facebook ist Teil einer größer angelegten und – wie insbesondere die 9. GWB-Novelle zeigt – politisch gewollten Strategie: Der Schaffung einer Hausordnung für die digitale Welt. Deutlich wird das in dem Zwischenbericht, den das Bundeskartellamt – parallel zum Versand eines Anhörungsschreibens an Facebook – im Dezember 2017 veröffentlicht hat. Die bisherigen Feststellungen des Bundeskartellamtes sind noch nicht bindend, aber ein deutlicher Fingerzeig.

In dem im März 2016 eingeleiteten Verfahren geht es um möglichen Marktmachtmissbrauch durch Facebook im Umgang mit Nutzerdaten. Es gilt als Pilotverfahren für die digitale Ökonomie – nicht nur in Deutschland, sondern europaweit. Das Bundeskartellamt selbst weist darauf hin, dass es aufgrund der grenzüberschreitenden Bedeutung des Falles „insbesondere mit der Europäischen Kommission in engem Kontakt“ stehe.

Die Behörde nimmt einen „nationalen Markt für soziale Netzwerke“ an und zählt beispielsweise Berufsnetzwerke oder Messaging-Dienste nicht zu Wettbewerbern von Facebook. Überträgt man diese enge Herangehensweise auf andere digitale Geschäftsmodelle, dürften viele Unternehmen als Quasi-Monopolisten und damit Adressaten des Missbrauchsverbots gelten. Für Digitalunternehmen ist somit umso wichtiger, worin das missbräuchliche Verhalten gesehen wird.

Wertungen statt Vorschriften

Im Wesentlichen rügt das Bundeskartellamt gegenüber Facebook einen Verstoß gegen „datenschutzrechtliche Wertungen“. Dieser Vorwurf ist nicht neu, allerdings warf die Behörde bei Verfahrenseinleitung Facebook noch Verstöße gegen datenschutzrechtliche „Vorschriften“ vor. Der modifizierte Prüfungsmaßstab mag Kritik geschuldet sein, Datenschutzbehörden seien für die Verfolgung von genuinen Datenschutzrechtsverstößen zuständig. Naheliegender scheint, dass sich ein Verstoß gegen den unbestimmten Begriff „Wertungen“ leichter feststellen lässt, die Wettbewerbshüter also eine Erleichterung der Rechtsdurchsetzung im Blick haben. Hierfür spricht, dass ausschließlich die Datensammlung über Drittquellen untersucht und deren mangelnde Transparenz betont wird. Dieser Ansatz könnte eine Auseinandersetzung mit der Frage, ob eine wirksame Einwilligung der Nutzer in die Datennutzung vorliegt, entbehrlich machen.

Weiter eingeengt wird der Handlungsspielraum von Unternehmen dadurch, dass das Bundeskartellamt es wohl nicht für erforderlich hält, dass das missbräuchliche Verhalten erst durch die marktmächtige Stellung möglich wird. In anderen Fällen ließ der Behörde vielmehr das Wissen marktmächtiger Unternehmen um ihre Marktmacht genügen. Sollte diese Auffassung (höchstrichterlich) bestätigt werden, könnte jeder Verstoß gegen Rechtsvorschriften (auch wenn sie eine nicht unmittelbar wettbewerbsschützende Funktion haben) marktmissbräuchlich sein und zwar unabhängig davon, ob das Unternehmen erst durch seine Marktmacht in die Lage versetzt wird, den Verstoß zu begehen. Missbräuchliche Verhaltensweisen von marktmächtigen Unternehmen wären damit per se untersagt.

Kooperation suchen

Aus anderen Bereichen ist bekannt, dass das Bundeskartellamt bei der Umsetzung von Zielen sehr strategisch vorgeht. Es beobachtet, sammelt Informationen (z. B. durch Sektoruntersuchungen) und setzt dann gezielt Nadelstiche, indem es Verfahren einleitet.

Ähnlich scheint das Bundeskartellamt bei der Schaffung seiner „digitalen Hausordnung“ vorzugehen. Das Facebook-Verfahren ist nur ein Schritt in diese Richtung. Weitere Stationen auf diesem Weg sind unter anderem die im Dezember 2017 eingeleitete Sektoruntersuchung zu Smart-TVs, die sich auch mit mangelnder Transparenz der Datensammlung beschäftigt, sowie – ganz aktuell – die Sektoruntersuchung der Marktverhältnisse bei Online-Werbung.

Digitalunternehmen sind daher gut beraten, die Aktivitäten des Bundeskartellamtes aufmerksam zu beobachten. Sofern sich Möglichkeiten ergeben, sollte das Gespräch mit der Behörde gesucht und Unterstützung beim Verständnis der Märkte angeboten werden. Dies hilft nicht nur die digitale Hausordnung frühzeitig zu verstehen, sondern ermöglicht es zudem, bei ihrer Gestaltung mitzuwirken. 


Dieser Artikel ist zuvor in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 18. April 2018 erschienen (S. 16).

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