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1.  Einleitung

Deutschland setzt die Verschärfung seines FDI-Regimes fort: Eine aktuelle Novelle der deutschen Außenwirtschaftsverordnung (AWV) bringt neue Anmeldepflichten für mehrere Fallgruppen. Die AWV-Änderung konzentriert sich klar auf den Gesundheitssektor als direkte Folge der COVID-19-Pandemie. Sie soll zur dauerhaften Aufrechterhaltung eines funktionierenden Gesundheitssystems in der Bundesrepublik Deutschland beitragen. Die Regierung betont, dass diesem Entwurf im Laufe des Jahres 2020 eine weitere AWV-Novelle folgen wird, u.a. ausgelöst durch die EU-Screening-Verordnung, bei der eine Ausweitung der kritischen Infrastrukturen erwartet wird.

Die AWV-Novelle ist der zweite Schritt im Rahmen einer laufenden Änderung und Verschärfung des deutschen FDI-Regimes nach einem Entwurf zur Änderung des zugrunde liegenden Außenwirtschaftsgesetzes (vom 8. April 2020, der derzeit im Parlament diskutiert wird und den wir im Folgenden noch einmal zusammenfassen).

Die AWV-Novelle wurde von der deutschen Bundesregierung heute / 20. Mai 2020 verabschiedet.

Investoren müssen sich bewusst sein, dass das deutsche FDI-Regime in seiner Bedeutung weiter wachsen wird. Vor dem Hintergrund der jüngsten Änderungen werden die Anmeldepflichten erweitert, die Stillhalteverpflichtung verlängert und die Interventionsschwelle gesenkt. Jede Transaktion mit deutschem Bezug muss daher gründlich analysiert werden, um mögliche Anmeldepflichten zu verstehen und alle erforderlichen Schritte rechtzeitig einzuleiten, um Verzögerungen zu vermeiden.

2.  BEDEUTENDSTE ÄNDERUNGEN DURCH DIE AWV-ÄNDERUNG

Die aktuelle AWV-Novelle führt neue Fallgruppen in den Kategorienkatalog ein und löst damit eine Meldepflicht beim Bundeswirtschaftsministerium aus. Dies gilt insbesondere für den Erwerb von deutschen Unternehmen, die in einem der folgenden Bereiche tätig sind:

  • Hersteller von persönlicher Schutzausrüstung (sog. PSA im Sinne von Art. 3 Nr. 1 VO (EG) 2016/425), d.h. Ausrüstungen, die konstruiert und hergestellt werden, um von einer Person zum Schutz gegen ein oder mehrere Risiken für ihre Gesundheit oder Sicherheit getragen oder gehalten zu werden, sowie die dazugehörigen Komponenten);
  • Unternehmen, die Arzneimittel und Impfstoffe, einschließlich Ausgangsstoffe und medizinische Präparate, entwickeln, herstellen, vermarkten oder eine entsprechende Marktzulassung besitzen;
  • Unternehmen, die medizinische Geräte oder zugehörige Zwischenprodukte (u.a. Operationsmasken und Beatmungsgeräte) entwickeln, herstellen oder vertreiben;
  • Unternehmen, die in-vitro-diagnostische Tests zur Diagnose, Vorbeugung, Überwachung, Vorhersage, Prognose, Behandlung oder Linderung von lebensbedrohlichen und hochansteckenden Infektionskrankheiten entwickeln, herstellen oder vertreiben oder die entsprechende Vorprodukte liefern;
  • Unternehmen, die für den störungsfreien Betrieb der vom Bundesamt für den Digitalfunk der Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BDBOS) betriebenen Kommunikationsinfrastrukturen als unverzichtbar angesehen werden.

Die AWV-Novelle enthält verschiedene weitere Bestimmungen, die (zumindest in Teilen und nach Auffassung der Regierung) klarstellenden Charakter haben:

  • Die AWV enthält nun eine spezifische Bestimmung die klarstellt, dass Asset Deals (durch den Erwerb wesentlicher Betriebsmittel oder Komponenten eines inländischen Unternehmens und nicht des Unternehmens selbst) in den Anwendungsbereich des deutschen FDI-Regimes fallen;
  • Darüber hinaus enthält die AWV erstmals eine Klarstellung hinsichtlich der Kriterien "Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit". Auch wenn sie nicht als umfassende Liste konzipiert ist, stellt die AWV-Novelle klar, dass (unter anderem) Umstände, die sich auf den Erwerber selbst beziehen, für die zugrunde liegende Risikobeurteilung des Erwerbs von besonderer Bedeutung sein können. Die AWV führt die folgenden Beispiele auf:
    • Der Erwerber wird von einer ausländischen Regierung oder anderen Regierungsbehörden oder den Streitkräften eines Drittlandes kontrolliert (wobei die Kontrolle durch die Eigentümerstruktur oder durch finanzielle Mittel ausgeübt werden kann;
    • Der Erwerber war an Aktivitäten beteiligt, die sich nachteilig auf die öffentliche Ordnung oder die öffentliche Sicherheit in der Bundesrepublik Deutschland oder einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union ausgewirkt haben;
    • Es besteht ein erhebliches Risiko, dass der Erwerber oder die in seinem Namen handelnden Personen an bestimmten Straftaten (z.B. Finanzierung des Terrorismus, Geldwäsche, Betrug, Bestechung oder Korruption) beteiligt waren oder ein Verbrechen oder eine Verwaltungsübertretung im Sinne des Kriegswaffenkontrollgesetzes AWG begangen haben.

In der aktuellen AWV-Änderungen fehlen verschiedene Änderungen, die eigentlich im Zuge einer Novelle erwartet wurden (zumindest aufgrund der Erkenntnisse aus einem inoffiziellen Entwurf aus der prä-Corona-Zeit). Dazu gehören u.a. die Erweiterung der Meldepflichten für neue Tätigkeitsbereich (wie z.B. Künstliche Intelligenz) oder eine Änderung und Klarstellungen des von der AWV erfassten Stimmrechtserwerbs.

Insofern können die aktuellen Änderungen nur als Komponente innerhalb einer Reihe von Regelungsvorhaben betrachtet werden, die aller Voraussicht nach noch in diesem Jahr in generalüberholtes und massiv erweitertes deutsches FDI-Regime einführen werden.
 

3. WESENTLICHSTE ÄNDERUNGEN DURCH DIE AWG-NOVELLE

Vor der AWV-Novelle hatte das Bundeskabinett einen Entwurf zur Änderung des Außenwirtschaftsgesetzes (AWG) beschlossen (Pressemitteilung hier), der zwei wirklich grundlegende Neuerungen enthält: eine sektorübergreifende Stillhalteverpflichtung und eine Absenkung der Eingriffsschwelle.

Der Entwurf zur Änderung des AWG wurde am 8. April 2020 veröffentlicht und befindet sich derzeit in der parlamentarischen Beratung (ein In-Kraft-Treten wird für Juni/Juli erwartet).

Die Hauptziele des AWG-Änderungsentwurfs sind:

  • Der Entwurf senkt die Eingriffsschwelle für behördliche Anordnungen des Bundeswirtschaftsministeriums. Während bisher Investitionsbeschränkungen eine tatsächliche Gefährdung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung in der Bundesrepublik Deutschland voraussetzten, reicht es nun aus, wenn die ausländische Investition die Sicherheit oder öffentliche Ordnung zu beeinträchtigen droht. Bemerkenswert ist, dass die im AWG-Entwurf vorgesehene Absenkung der Eingriffsschwelle in der aktuellen AWV-Novelle (noch) nicht umgesetzt wurde.
  • Der Entwurf der AWG-Novelle führt eine Stillhalteverpflichtung für alle Transaktionen ein, die einer deutschen Meldepflicht unterliegen. Jeder Verstoß gegen diese Verpflichtung ist strafbar. Dies betrifft sowohl sektorspezifische als auch sektorübergreifende Geschäfte (insbesondere kritische Infrastruktureinrichtungen wie Energie-, Wasser- und Lebensmittelversorgung, Verkehr, Gesundheitswesen, Finanz- und Versicherungswesen). Die Strafe beträgt bis zu 5 Jahren Haft oder eine Geldstrafe. Noch ist unklar bzw. teilweise unverständlich, wer der Adressat der Strafnorm sein soll und welche konkreten Handlungen davon erfasst sind. Sollte die bisherige Entwurfs-Formulierung verbindliches Recht werden, wird diese Rechtsunsicherheit entweder vom Gesetzgeber selbst oder von den Gerichten bereinigt werden muss.
  • Der Entwurf der AWG-Novelle führt folgende Fallgruppen als strafbare Verstöße gegen die Stillhalteverpflichtung auf:
    • den Käufer in die Lage zu versetzen, Stimmrechte direkt oder indirekt auszuüben, insbesondere durch Übergabe von Inhaberpapieren, durch Indossament von Namenspapieren, durch Übertragung nach den Bestimmungen des Depositengesetzes oder des Wertpapierhandelsgesetzes, durch Stimmrechtsvereinbarungen, Annahme von Weisungen zur Stimmrechtsausübung oder ähnliche Handlungen,
    • dem Erwerber den Bezug von Gewinnauszahlungsansprüchen, die mit dem Erwerb einhergehen, oder eines wirtschaftlichen Äquivalents zu gewähren,
    • dem erwerbenden Unternehmen Informationen des inländischen Unternehmens, einschließlich elektronisch oder anderweitig gespeicherter Daten, zur Verfügung zu stellen oder anderweitig offen zu legen, soweit sich diese Informationen auf Abteilungen oder Objekte des Unternehmens beziehen, die dem deutschen außenwirtschaftsrechtlichen Verfahren unterliegen; oder
    • dem erwerbenden Unternehmen Informationen des inländischen Unternehmens zur Verfügung zu stellen oder anderweitig offen zu legen, die vom Ministerium gesondert als bedeutsam identifiziert wurden und für die das Ministerium eine besondere Sicherheitsrelevanz angeordnet hat.
  • Der Entwurf der AWG-Novelle schafft die Grundlage für die Einführung des in der EU-Verordnung 2019/452 vorgesehenen europaweiten Informationssystems. Die Umsetzung dieses Mechanismus wird jedoch nur in diesem Entwurf vorbereitet und in der aktuellen AWV-Novelle nicht berücksichtigt. Er ist davon auszugehen, dass seine entsprechende Umsetzung mit einer weiteren Novelle erfolgt.

 

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